TV-Dokumentation zu Antisemitismus

"Das Ding nicht zu zeigen, ist die falsche Lösung"

Ein aufgespraytes Hakenkreuz auf einem Grabstein des Jüdischen Friedhofs in Wysokie Mazowieckie, Polen, aufgenommen am 19.3.2012
Ein aufgespraytes Hakenkreuz auf einem Grabstein des Jüdischen Friedhofs in Wysokie Mazowieckie, Polen © picture alliance / dpa / Artur Reszko
Jörg Taszman im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 13.06.2017
"Bild" sorgt für einen Fernseh-Leak: Sie hat kurzzeitig die TV-Dokumentation über Antisemitismus online gestellt. Das sei eine richtige Entscheidung, meint Filmkritiker Jörg Taszman. Arte und WDR hatten die Ausstrahlung aus inhaltlichen Gründen abgelehnt.
Der Umgang mit dem Thema Antisemitismus scheint immer noch schwierig zu sein. Das zeigt sich auch am Streit um eine von Arte und WDR in Auftrag gegebene Fernsehdokumentation über den Hass auf Juden in Europa. Die Sender hatten sich aus inhaltlichen Gründen entschieden, die Produktion nicht auszustrahlen. Es folgten zahlreiche Proteste von Historikern und Publizisten sowie dem Zentralrat der Juden in Deutschland.
In der Diskussion hat die "Bild"-Zeitung auf ihre Weise Partei ergriffen und für einen Doku-Leak gesorgt: "Bild.de" hat die Dokumentation "Auserwählt und ausgegrenzt" von Sophie Hafner und Joachim Schroeder für kurze Zeit zum Sehen angeboten.
Diese Entscheidung hält Filmkritiker Jörg Taszman für richtig und sagt im Deutschlandfunk Kultur: "Einfach das Ding nicht zu zeigen, ist die falsche Lösung. Und ich befürchte, wenn 'Bild' das heute nicht getan hätte, hätten wir den alle nie gesehen."
Arte und WDR hätten die Möglichkeit gehabt, die Dokumentation mit Diskussionsrunden, Experten- und Themenabenden kritisch zu begleiten, meint Taszman – so wie es bei kontroversen Stücken oft üblich sei.

Der mittlerweile "mörderische" Antisemitismus in Frankreich

Taszman ging auch auf die inhaltliche Seite des Filmes ein. Dessen Material stamme vor allem aus Deutschland, Frankreich und Gaza-Stadt. Ursprünglich seien auch noch andere Drehorte geplant gewesen. Vor allem im zweiten Teil stehe Frankreich und die Situation in einem Pariser Vorort im Mittelpunkt. Man sehe im Film, wie "mörderisch" der Antisemistismus inzwischen in Frankreich geworden sei. Das sei für Arte offenbar ein Problem gewesen, vermutet Taszman:
"Diese Dokumentation hätte ja vor den französischen Wahlen ausgestrahlt werden müssen. Man sah da irgendwie den sozialen Frieden gefährdet. Man hat den Filmemachern auch vorgeworfen, das sei nicht ausgewogen genug. Da wollte man einfach nicht ran, das ist so meine Vermutung. Und die deutsche Seite hat da einfach ein bisschen gekuscht. Und versteckt sich jetzt hinter formalen Gründen, wenn sie sagt, er würde nicht den Qualitätsansprüchen genügen."

Sarkasmus und Ironie zum Thema Antisemitismus

Die Dokumentation "Auserwählt und ausgegrenzt" habe eine bestimmte Machart, so beschreibt es Taszman. Sie bedienten sich manchmal in ihren Kommentaren ganz bestimmter Stilmittel:
"Das ist man wahrscheinlich einfach nicht so gewohnt hier in Deutschland, dass da auch so ein bisschen Sarkasmus und Ironie mit im Spiel ist. Und natürlich haben die Filmemacher eine Haltung."

Die Israel-Klausel des Springer-Verlages

Die Entscheidung, den Film jenseits aller rechtlichen Erwägungen online zu stellen, hänge sicher auch mit der für die Mitarbeiter des Hauses geltenden Israel-Klausel zusammen, macht Taszman deutlich:
"Wer für Springer tätig ist, der muss sich sozusagen dazu bekennen, dass er kein Feind Israels ist und dass er den Staat und die Berechtigung Israels anerkennt. Das ist sicher ein Beweggrund gewesen, das zu tun. Rein rechtlich durften sie es nicht tun. Es hat keiner gewusst, dass sie es tun, auch der Regisseur selber. Aber sie haben es einfach gemacht." (ue)
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