Ziviler Ungehorsam

Bürgerinitiative bietet Asyl in Privatwohnungen

Haus in Berlin, mit einer Art Turm an der Häuserecke.
Trutzburg gegen die Abschiebung: Aktivisten von Bürgerasyl verstecken Geflüchtete aus Afghanistan. © Unsplash / Will Dunkley
Michaela Baetz im Gespräch mit Heidrun Wimmersberg · 07.08.2018
Menschen in Wohnungen verstecken, um sie vor der Abschiebung zu bewahren: Die Initiative Bürgerasyl beruft auf eine Pflicht zum zivilen Ungehorsam. Die Aktivistin Michaela Baetz erklärt, warum zurzeit gezielt afghanischen Flüchtlingen geholfen wird.
Bisher sind vor allem Kirchen die letzte Anlaufstelle für Flüchtlinge, denen die Abschiebung droht. Aber nicht nur dort bekommen sie Asyl: Inzwischen gibt es in einigen deutschen Städten Initiativen, die geflohene Menschen in ihren Privatwohnungen aufnehmen und dort verstecken.

Ablehnung von Abschiebungen als Mittel der Migrationspolitik

Zu diesen Menschen zählt Michaela Baetz, die eine der Sprecherinnen der Initiative Bürgerasyl in Nürnberg ist. Die Arbeit der Initiative bewege sich im Bereich des zivilen Ungehorsams, erläuterte sie im Deutschlandfunk Kultur: "Das heißt, wir sind der Ansicht, Abschiebungen als Mittel der Migrationspolitik sind abzulehnen - und in so einem Fall ist Bürgerasyl legal." Im juristischen Sinn komme es dann aber immer auf den jeweiligen konkreten Fall an.
Baetz bezeichnete das Bürgerasyl als eine Maßnahme, bei der es in erster Linie darum gehe, Geflüchtete in den wenigen Tagen vor einer Abschiebung aufzunehmen, um ihnen so die Möglichkeit zu geben, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Zurzeit handele es sich dabei meistens um Sammelabschiebungen mit Charterflügen nach Kabul, der Hauptstadt Afghanistans.
Banner mit Aufschriften wie "Wir sind Flüchtlinge und brauchen Schutz" halten Demonstranten am 23.01.2018 auf dem Flughafen in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) bei einer Protestkundgebung der Flüchtlingsinitiativen gegen Sammelabschiebungen nach Afghanistan.
Proteste gegen Sammelabschiebungen nach Afghanistan am Düsseldorfer Flughafen© dpa-Bildfunk / Henning Kaiser

Kleine Initiative mit beschränkten Möglichkeiten

Deshalb beziehe sich das Bürgerasyl ihrer Initiative auf afghanische Flüchtlinge. Auch wenn es natürlich eigentlich eine "schwierige Geschichte" sei, eine bestimmte Gruppe Betroffener auszuwählen, handele es hier um eine pragmatische Entscheidung, erklärte die Aktivistin diesen Schritt: "Es war klar, dass wir als kleine Gruppe auch einfach nur beschränkte Möglichkeiten haben." Die Initiative lehne aber die Abschiebung aller Flüchtlinge ab und gehe auch davon aus, dass demnächst andere Gruppierungen betroffen sein könnten, um die man sich dann entsprechend kümmern werde.
Im Fall von Afghanistan sei die Situation der Geflüchteten aus Sicht der Aktivistin besonders deutlich: "In diesem Land herrschen Krieg und Terror. Eine Abschiebung dorthin ist ein hohes Risiko für die Betroffenen. Da muss man tätig werden!"

"Ziviler Ungehorsam im Namen der Menschlichkeit"

Die Initiative Bürgerasyl gebe es auch in anderen deutschen Städten, sagte Baetz: "Hanau ist zum Beispiel besonders aktiv. Die sind da auch ein bisschen größer als wir hier in Nürnberg-Fürth." Es gebe bei ihrer Initiative allerdings keine offiziellen Telefonnummern oder ähnliches, der Schutz der Betroffenen werde über persönliche Kontakte organisiert.
Bei der Initiative Bürgerasyl gehe es allerdings nicht ausschließlich um die Ebene einer praktischen Hilfe, betonte die Aktivistin ausdrücklich: "Das hat einfach für uns eine hohe symbolische Aussagekraft. An einem Punkt, an dem eben in so ein Kriegsgebiet abgeschoben wird, zu sagen: Jetzt wird hier Protest angemeldet. Und wenn Kundgebungen, Demonstrationen und Mahnwachen nichts mehr bewirken, dann ist ziviler Ungehorsam im Namen der Menschlichkeit unsere Pflicht."

Noch immer Schutz-Raum: 35 Jahre Asyl in der Kirche - Ende August 1983 stürzte sich der abgelehnte Asylbewerber Cemal Kemal Altun aus dem Fenster des Berliner Verwaltungsgerichts in den Tod. 5000 Menschen zogen in den Tagen danach bei einem Trauermarsch durch Westberlin. Der Freitod Altuns hatte Folgen: Er war der Beginn des Kirchenasyls in Deutschland. Und dieses wiederum steht momentan unter politischem Druck. Claudia van Laak hat recherchiert.
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