Sozialpsychologe Harald Welzer

Schluss mit der Untergangsrhetorik!

29:47 Minuten
Harald Wetzler ist dem Moderator Christian Rabhansl zugewandt, er gestikuliert mit seiner Wand.
Statt Angst zu verbreiten möchte der Sozialpsychologe Harald Welzer Lust auf die Zukunft machen. © Andreas Wüschnirs für Deutschlandfunk Kultur
Moderation: Christian Rabhansl · 23.03.2019
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Ist die Welt noch zu retten? Na sicher, sagt Harald Welzer. Damit das gelingt, müssten aber die Untergangspropheten ihre Uhr weglegen: "Die ist eh auf 5-vor-12 stehengeblieben." Für seinen Optimismus nennt der Sozialpsychologe erstaunliche Gründe.
Jahrelang hat der Sozialpsychologe Harald Welzer vor der Klimakrise gewarnt – jetzt will er von Untergangs-Dystopien nichts mehr hören. Denn die seien kontraproduktiv: "Damit entsteht das Gefühl, dass wir in eine Sackgasse steuern, dass es danach nicht mehr weitergeht, danach ist dann irgendwie Ende Welt oder so. Aber das ist ja irrational." Im Kampf gegen den Klimawandel werde zwar das 1,5-Grad-Ziel sicher nicht klappen. Aber deswegen sei danach das menschliche Leben nicht zu Ende. Egal ob Krieg, Erdbeben oder Klimawandel: "Wir Menschen bewältigen das."
Statt Angst zu verbreiten will Welzer Lust auf die Zukunft machen. Im "Tacheles"-Interview und in dem Buch "Alles könnte anders sein: Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen" schlägt Welzer keinen großen Umbruch oder gar die Abschaffung des Kapitalismus vor, sondern eine Vielzahl kleinerer Schritte, die er "modulare Revolutionen" nennt. So könne mit geringerem Aufwand mehr erreicht werden. Auch Ziele wie eine komplett Auto-freie Stadt rückten damit in greifbare Nähe.
Links im Bild ist das Publikum zu sehen, dass auf Stühlen vor dem Gesprächsgast und dem Moderator sitzt.
Das Gespräch zwischen Moderator Christian Rabhansl und dem Soziologen Harald Wetzler (v.r.) wurde live auf der Leipziger Buchmesse aufgezeichnet.© Andreas Wüschnirs für Deutschlandfunk Kultur
Dabei sei es ihm egal, ob seine konkreten Vorschläge Wirklichkeit würden. "Mir kommt es auf den Pfadwechsel an. Denn wenn ich mit einem Schritt den Pfadwechsel mache, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein zweiter, dritter, vierter, fünfter Schritt genau in diese Richtung folgt. Wenn ich dagegen den ersten Schritt nicht mache in die andere Richtung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der zweite, dritte, vierte, fünfte Schritt weiter das Schlechte, das Falsche verfolgt oder optimiert. Es ist ganz einfach."

Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandfunk Kultur: Klimakatastrophen, globale Ausbeutung, Aufmarsch der Autoritären – ist die Welt noch zu retten? Wer sich die Extremwetter der letzten Jahre ansieht, die Wahlergebnisse, eine immer umfassendere digitale Überwachung oder auch das leere Versprechen von Nachhaltigkeit, das Plastik im Meer, die kaum noch zu haltende Zwei-Grad-Grenze, der kann eigentlich nur den Mut verlieren.
Mein Gast heute in Tacheles sagt aber: "Nee. Was wir angerichtet haben, das können wir auch wieder reparieren. Nur Mut!" –
Harald Welzer, Ihr Buch ist durch und durch positiv. Es heißt "Alles könnte anders sein". Und es entwirft "Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen". Ich muss sagen, sogar das Cover, da ist ein blauer Himmel drauf mit kleinen niedlichen weißen Wolken, das sieht ein bisschen aus, als hätten Sie die Fortsetzung von "Sorge dich nicht, lebe" geschrieben. – Haben wir denn tatsächlich keinen Grund zur Sorge?
Harald Welzer: Na ja, das ist ja ganz gemein, ein Gespräch so anzufangen. Aber kein Grund zur Sorge ist ja nicht die Mitteilung, die dieses Buch macht. Ich würde sagen, dass wir dringende Notwendigkeiten haben, an unserer Wirtschaftsweise etwas so zu verändern, dass natürliche Voraussetzungen des Wirtschaftens und Überlebens nicht konsumiert und zerstört werden. Das ist zum Beispiel ein zentraler Punkt.
Politisch, haben Sie ja eben angesprochen, gibt es eine Reihe von Problemen. Ich würde das ja als Angriff auf die Demokratie beschreiben usw. Aber, was ich nicht mehr möchte, ist, gewissermaßen einstimmen in das folgenlose Lamentieren. Weil, das hat viele Probleme. Erstens ist es so, dass man die Stärken, die auch eine Form von Gesellschaft, wie wir sie haben und in der ich aufwachsen durfte und in der ich jetzt auch noch leben darf, dass man diese Stärken übersieht, wenn man die ganze Zeit nur darauf guckt: Was läuft jetzt schief? Was ist skandalisierbar usw.? Man verliert den Maßstab dafür. Das ist Punkt 1.

"Realpolitik ist in Wahrheit illusionäre Politik"

Punkt 2 ist, dass natürlich auch gerade eine moderne Gesellschaft, eine Demokratie auf etwas hin leben muss. Ich kann Zusammenhalt in der Gesellschaft eigentlich nur herstellen erstens, wenn die Menschen das Gefühl haben, ich bin Teil von etwas, von dem die anderen auch ein Teil sind. Und dazu gehört Zukunft. Also die Verbesserung von Lebensverhältnissen, die Veränderung von schlechten Entwicklungen wie im Bereich Ökologie oder Klima, das kann man ja auch als ein Zukunftsprojekt betrachten.
Wir haben aber unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt kein Konzept von Zukunft. Also, Realpolitik, sogenannte, ich halte das ja für illusionäre Politik, die sogenannte Realpolitik, zentriert sich rein auf die Gegenwart – also Restauration, Festhalten des Gegenwartspunkts, entwirft nichts mehr.
Meine eigene – wie soll man sagen – Szene, die Nachhaltigkeitsszene entwirft dystopische Zukünfte.
Deutschlandfunk Kultur: Der teilen Sie auch ganz schön aus, dieser eigenen Szene, von der Sie gerade gesprochen haben. Trotzdem finde ich es ein bisschen paradox, denn Sie beschreiben ja die Lage durchaus düster. Sie schreiben auch: "Die fetten Jahre sind vorbei", aber das sollten wir doch als einen positiven Satz begreifen.
Welzer: Ja. "Die fetten Jahre sind vorbei" kann man als gute Botschaft begreifen. Natürlich. Wenn wir global betrachtet heute mehr Menschen haben, die unter Übergewicht leiden – und zwar auch in extremem Maße – mehr als Menschen, die unter Unterernährung leiden, dann haben wir eine andere Problemstellung, als es beispielsweise noch vor zwanzig Jahren der Fall gewesen ist. Dann sind wir gleich bei einem Punkt, wo ich gerne möchte, dass wir mehr drauf gucken. Wir haben extreme Armut weltweit in den letzten zwanzig Jahren halbiert.
Deutschlandfunk Kultur: "Es war nicht alles schlecht im Kapitalismus", schreiben Sie.
Welzer: Es war nicht alles schlecht im Kapitalismus. Und der Kapitalismus hat uns wahnsinnig gute und – das ist mir wichtig – immaterielle Lebensbedingungen gegeben, die wahnsinnig gut sind, so was wie Freiheit, wie Demokratie, ein Bildungssystem, funktionierende Institutionen, extrem hohe Lebenserwartung im historischen Maßstab – viele solche Dinge. Und es ist natürlich materiell ein beständiger Zuwachs.
Ich würde sagen, da ist im 19. und 20. Jahrhundert zivilisatorisch – mit radikalen Unterbrechungen, aber doch bis heute – vieles gut gelaufen.

Freiheit und Demokratie dank Kapitalismus

Deutschlandfunk Kultur: Das klingt im Buch noch besser. Sie schreiben: "Wir leben in der zivilisiertesten Gesellschaft, die es je gegeben hat."
Welzer: Ja, das glaube ich. Das kann man sehr gut festmachen.
Deutschlandfunk Kultur: Aber dank Ausbeutung.
Welzer: Ja, dank eines Wirtschaftssystems, was auf seine natürlichen Voraussetzungen keine Rücksicht nimmt. Als es aber entstanden ist, dieses System, hatte niemand auch nur die Idee, dass das bisschen menschlicher Einfluss auf den globalen Stoffwechsel irgendwie katastrophale Folgen haben könnte.
Und jetzt passiert Folgendes: Ich habe ein erfolgreiches System, was den Menschen Lebenschancen eröffnet, was Aufstiegsperspektiven eröffnet und all so was. Und das ist eine Erfolgsfalle, weil, wir sind wahnsinnig erfolgreich, haben aber keinerlei Konzept, und das ist bei Erfolg häufig der Fall, kein Konzept das umzustellen. Deshalb haben wir diese Problematik, dass wir eine sogenannte Realpolitik haben, die der irrigen Annahme anhängt, dass man ewig weiter wachsen könnte, die sogar gewissermaßen in dem Kern das Primat der Politik immer formuliert: "Wir haben jetzt Weichen gestellt, dass wir mehr Wachstum haben."
Aber Wachstum generiert unsere Probleme. Es beseitigt sie nicht. Und die große Aufgabe fürs 21. Jahrhundert, auch für Ökonomen insbesondere, ist, eine Wirtschaftsform zu entwickeln, die unsere zivilisatorischen Güter bewahrt, also Freiheit aufrecht erhält und alles, was dazu gehört, und ein anderes Naturverhältnis entwickelt.
Deutschlandfunk Kultur: Das ist die große Aufgabe. Gleichzeitig ist es ja so, dass wir das eigentlich alle wissen, dass wir nicht unendlich wachsen können in einem endlichen System. Sie schütteln den Kopf, aber das – meine ich – weiß man eigentlich schon im Kindergarten, dass Unendlichkeit in einem endlichen System nicht vorhanden sein kann. – Warum schütteln Sie den Kopf? Ist das tatsächlich so eine überraschende Erkenntnis?
Welzer: Das wissen sechsjährige Kinder. Denen leuchtet das auch ein. Aber den Wirtschaftswissenschaften in der Mehrheit leuchtet das überhaupt nicht ein. FDP-Politikern leuchtet das auch nicht ein.
Deutschlandfunk Kultur: Darauf wollte ich hinaus. Woran liegt das?
Welzer: Na ja, das sind Glaubenssätze. Es ist in der Wissenschaft leider so wie im wirklichen Leben, dass bestimmte Überzeugungen, die mal historisch entstanden sind, den Charakter von Glauben annehmen. Dann hält man daran fest.

Warum wollen wir immer neue Dinge kaufen?

2007, 2008, 2009, als die Finanzkrise war, hielten die Kollegen aus den Wirtschaftswissenschaften dieselben Vorlesungen, die sie in den zwanzig Jahre vorher auch gehalten haben. Das war lustig. Rundum bricht das ganze Finanzsystem zusammen, keine Wahrheit stimmt mehr. – Und dann gab es plötzlich studentische Initiativen, die gesagt haben: Wir holen jetzt andere Leute in die Unis, denn das ist dummes Zeug. Die Realität erzählt eine andere Geschichte als das, was man gelehrt bekommt. – Das sind genau solche Phänomene.
Die gibt es in den Sozialwissenschaften auch. Ich will gar nicht eine einzelne Disziplin bashen.
Deutschlandfunk Kultur: Das gibt’s auch bei jedem Einzelnen von uns. Auch wir wollen ein schönes Auto haben. Oder wenn wir das nicht haben wollen, dann wollen wir ein schönes Smartphone haben oder immer die neuesten Sneakers haben. Und die wollen wir nicht dann haben, wenn die alten Sachen kaputt sind. – Warum finden wir das so toll?
Welzer: Es gibt ja Infrastrukturen technischer Art: Straßen, Kanalisation, Telefonleitungen. Aber es gibt auch mentale Infrastrukturen. Es gibt gewissermaßen Bahnen, in denen wir in gewohnter Weise denken, weil uns das Orientierung gibt. Wenn man in einer Gesellschaft jahrzehntelang existiert, die extrem auf Konsum sich immer weiter fokussiert, eben weil sie wachstumsgetrieben ist, dann denkt man, das ist schon gut so, wenn zum Beispiel so was Absurdes passiert, dass Autos immer größer werden.
Und jetzt kommt der für mich eigentlich interessante Punkt, wo man ansetzen kann. Ich würde ja zum Beispiel sagen: Wenn jemand sich ein Auto kauft und kaufen zu müssen glaubt, mit dem er in keine Garage mehr rein kommt, dann könnte man einen Ansatzpunkt haben zu sagen: Hier leidet jetzt jemand unter Konsum. Das ist ja genau der Witz.
Ich bin auch davon überzeugt, dass viele Menschen, die zum Christmas-Shopping nach New York fliegen oder eine Kreuzfahrt buchen, im Flugzeug sitzen oder auf dem Schiff, denken: "Scheiße, was soll ich hier? Ist ja furchtbar, was soll ich denn hier?"

"Dazu gehört: Autos raus aus der Stadt!"

Deutschlandfunk Kultur: Das wäre ja vielleicht sehr wünschenswert. Die Realität ist aber, dass in den Großstädten auf den Parkstreifen die Parkplätze immer größer umgemalt werden, damit die immer größeren Autos drauf passen.
Welzer: Ja, das weiß ich. Aber die Frage ist doch: Wie motiviere ich, die Dinge zu verändern? Ich suche ja in diesem Buch auch nach anderen Geschichten, das heißt, auch nach Anknüpfungspunkten, wo man jetzt den Aufbruch in eine bessere Welt, um es mal so pathetisch zu sagen, als attraktives Projekt bezeichnet.
Deutschlandfunk Kultur: Also, Verzicht sexy machen.
Welzer: Na, das ist eben nicht Verzicht. Wenn ich zum Beispiel heute in einer ganz normalen deutschen Stadt lebe, dann bin ich Lärm ausgesetzt. Dann bin ich Emissionen ausgesetzt. Dann kann ich meine Kinder nicht ungeschützt über die Straße schicken. Kinder laufen in Großstädten in Deutschland mittlerweile mit Warnwesten durch die Gegend. Ich meine, jetzt mal wirklich pathetisch gesagt: In welcher Welt bitte leben wir, wenn man Kinder in Warnwesten nach draußen schickt? Welche Botschaft vermittelt man über die Welt? Man vermittelt die Botschaft, die Welt ist gefährlich. Die will dir was tun. – Was ist das für eine Idee von Gesellschaft, wenn so was als notwendig erscheint?
Ich kann mir eine Gesellschaft vorstellen, die freundlich, friedlich, sozial, kulturell angenehm ist. Über relativ geringe Eingriffe. Und dazu gehört: Autos raus aus der Stadt. Dazu gehört, dass ich eine andere Form des Alltags schaffe, die mit Sicherheit von den Allermeisten, außer denen, die gerne mit 600 PS den Kudamm runter schroten, als gut empfunden wird. Aber die anderen werden sich daran gewöhnen müssen. – Dumm gelaufen, aber das ist halt so.
Und wenn ich die Autos aus der Stadt raus schmeiße, dann habe ich einen unglaublichen Gewinn auf sehr vielen Ebenen. – Lärm, andere Arten von Emissionen, Sicherheit. Das ist sozusagen das, was einem irgendwie völlig klar ist. Wenn ich auf öffentlichen Verkehr umstelle, den ich durch Digitalisierung optimieren kann, habe ich natürlich auch für den Klimawandel etwas Positives getan.

"München hat die Hälfte der Stadtfläche für Autos reserviert"

Jetzt kommt aber noch was Interessantes. Wir haben in Deutschland eine intensive und sehr berechtigte Diskussion über steigende Mietpreise, über Verdrängungsprozesse, die damit einher gehen, steigende Immobilienpreise usw. Niemand spricht darüber, wie viel Fläche der Stadt belegt sind, Sie haben es ja eben gesagt, durch Parkplätze, Fläche, die bereit gehalten wird für Blechdinger, die zwei Tonnen wiegen und mit denen eine Person, statistisch betrachtet, eine Stunde am Tag rumfährt. Das ist etwas, wo in einer Stadt wie München 12,6 Prozent der Stadtfläche nur von parkenden Autos belegt wird. Das muss man sich mal wirtschaftlich vorstellen. Und ich spreche nur von parkenden Autos. Wenn wir über fahrende Autos sprechen, kommen wir nahe an die Hälfte der kompletten Stadtfläche ran, also inklusive Infrastruktur, Parkplätze, Parkhäuser, Unterführungen, Überführungen und so was.
Deutschlandfunk Kultur: Die autofreie Stadt ist ja auch ein ganz zentrales Thema für Sie. Da kommen wir noch drauf, weil, das klingt ja auf den ersten Blick, als sei das überhaupt nicht zu schaffen. Und Sie deklinieren durch, warum Sie glauben, es sei doch zu schaffen.
Ich möchte aber erstmal verstehen, wie Sie diesen Lebensstil ohne private Autos und dergleichen, ohne ständig ein neues Smartphone, wie Sie das als das schönere und bessere Leben uns verkaufen wollen, obwohl wir doch bislang eigentlich alle immer nur scharf drauf sind, das neueste Produkt zu haben.
Welzer: Also, das "Wir" an der Stelle ist ja schon mal unangebracht, weil, ich finde das ja nicht. Ich habe auch kein Smartphone. Aber der eigentliche Witz ist, glaube ich, dass auch von der bereits erwähnten Nachhaltigkeitsszene und allen, die sich intensiv bemühen, die Dinge zu verändern, dass das Entscheidende fehlt, nämlich eine gute Geschichte über die Zukunft zu erzählen.
Wenn ich diese gute Geschichte nicht habe, dann ist das, was uns die Amazons dieser Welt und alle anderen, Check24 usw. erzählen, die dominante gesellschaftliche Geschichte. Oder dieser durchschlagende Erfolg digitaler Technologien, die treten ja auf mit der Behauptung, das ist die Zukunft. Das bedeutet aber, das sind die Einzigen, die überhaupt dieses leere Feld der Zukunft besetzen. Und ich finde, es ist eine politisch und gesellschaftlich total wichtige Aufgabe, eine positive Variante von Zukunft, und zwar einer, die erreichbar ist, sich zu trauen zu formulieren. Das ist eigentlich die Absicht.

"Wir erzählten 20 Jahre Katastrophengeschichten, schönen Dank"

Wir wissen es aus Studien mit Jugendlichen oder so, dass Zukunft nicht mehr als etwas Erstrebenswertes betrachtet wird, sondern als etwas zu Vermeidendes. Da will ich sagen: Schönen Dank, Harald Welzer. Denn wir haben zwanzig Jahre lang Katastrophengeschichten erzählt. Es ist doch vollkommen klar, dass man in eine solche Zukunft nicht will. – Aber was denn stattdessen?
Insofern, glaube ich, muss es jetzt beginnen, und das ist halt auch ein Versuch mit diesem positiven Buch, zu sagen: Aber wir können doch unsere Gesellschaft, da, wo wir Einfluss haben, auch dann verändern, wenn ich gar keine negative Begründung habe. Sprich: Eine autofreie Stadt ist auch gut, wenn es keinen Klimawandel gibt, weil sie einfach besser ist als die Stadt mit Autos.
Deutschlandfunk Kultur: Bessere Geschichten erzählen, vielleicht auch mit besseren Begriffen arbeiten, ist das für Sie auch persönlich ein Lernprozess gewesen? Ich erinnere mich an solche Bücher von Ihnen – jetzt sagen Sie mir wieder, ich bin böse – an Bücher mit so sexy Titeln wie "Transformationsgesellschaft".
Welzer: Erstmal war das noch weniger sexy und hieß "Transformationsdesign".
Deutschlandfunk Kultur: So gut habe ich es mir gemerkt.
Welzer: Ja, und zweitens das ist ein Buch, das ich mit einem jungen Kollegen zusammen geschrieben habe und das eher nach innen in die Wissenschaft gerichtet ist. Da jetzt nicht die Idee, dass es ein großes Publikum erreicht und alle sagen: "Hast du schon das neue Transformationsdesign-Buch gelesen? Musst du unbedingt haben!" – Also, es hatte einen anderen Stellenwert.
Während so eins hier, "Alles könnte anders sein", eher versucht, einen Stein ins Wasser zu werfen, den ganz viele dann wahrnehmen. Und wenn man gucken kann, wow, wir können doch auch mal den Laden anders betrachten, wir können unsere Gegenwart anders betrachten und sagen: Aber das stimmt doch gar nicht, dass alles schlecht läuft. Oder ein sehr einfaches Konzept, was bei mir auch sehr lange gebraucht hat, bis ich drauf gekommen bin. Damit fängt das Buch ja an: mit der Geschichte vom Wiedergutmachen.

"Krieg, Erdbeben, Klimawandel: Wir bewältigen das"

Wir haben im Moment eine Debatte, wo der Eindruck entsteht, und so wird’s ja immer formuliert, wir steuern in eine Sackgasse. Und damit entsteht das Gefühl, dass es danach nicht mehr weitergeht. Danach ist dann irgendwie Ende Welt oder so. Und das ist ja irrational. Denn Menschen haben Bewältigungskompetenzen. Und wir haben ja historisch furchtbare Ereignisse gehabt, sei es durch natürliche Katastrophen, Erdbeben oder sonst was, sei es durch Menschen gemachte Katastrophen, Krieg, Holocaust und so was. Und da hört aber trotzdem hinterher die menschliche Lebensform nicht auf, sondern Menschen beginnen, damit etwas zu machen. Die bewältigen das.
Ich finde, wir müssen das wieder stark machen. Wenn ich die ganze Zeit nur die Katastrophengeschichte erzähle, die dann auch nicht mehr korrigierbar ist, dann entmächtige ich die Menschen. Dann kann ich auch nicht die Vorstellung haben, da möchte noch jemand eigenes Leben investieren, um noch was zu retten, weil man ja weiß – also unter uns, sagen Sie es nicht weiter, das mit den 1,5 Grad wird nicht klappen –, das wird einfach nicht klappen. Aber das heißt doch nicht, dass danach das Leben zu Ende ist.
Deutschlandfunk Kultur: Aus diesem Grunde, schreiben Sie auch, wollen Sie den "Ökos", über die Sie sehr böse schreiben, und den "Weltuntergangspropheten" auch Ihre Uhren wegnehmen. Die seien nämlich sowieso vor vierzig Jahren auf fünf vor Zwölf stehengeblieben.
In Ihrem Buch habe ich immer wieder Stellen gesehen, da habe ich gedacht, jetzt schreiben Sie ein bisschen das Drehbuch für Gespräche, die Sie dann drüber führen werden, nämlich immer dann, wenn Sie sagen: "Ja, und dann kommt immer folgende Frage…" – Ein paar von diesen Fragen muss ich Ihnen trotzdem stellen. Denn tatsächlich klingt alles, was Sie sagen, sehr schlüssig und dass vieles eigentlich auch mit kleinen Stellschrauben vielleicht zu erreichen wäre. Aber wir erleben ja, dass in der täglichen Politik allein die Umverteilung innerhalb unserer reichen Gesellschaft schon sehr schwer fällt. Und alles, was Sie da fordern und was nötig wäre, läuft ja auf Umverteilung in globalem Maßstab hinaus.
Hat so was jemals geklappt, dass ein Land gesellschaftlich sich selber was wegnimmt, um es anderen zu geben?

"Soziale Bewegungen sind erfolgreich, wenn Nichtbetroffene das Anliegen verstehen"

Welzer: Ja, ich glaube schon. Die Geschichte der Europäischen Union hat Züge davon. Aber wir haben auch viele Prozesse, die man beschreiben kann im Zusammenhang sozialer Bewegungen: soziale Bewegungen wie die Arbeiterbewegung, die Frauenbewegung, die frühe Ökobewegung, Bürgerrechtsbewegungen.
Deutschlandfunk Kultur: Aber die haben alle für sich selber gekämpft.
Welzer: Moment! Moment! Das ist im ersten Schritt mal richtig. Es kann auch gar nicht anders sein, weil alle diese Bewegungen im Kern die Gerechtigkeitsfrage haben. Die sagen: Es ist etwas ungerecht und dafür müssen wir kämpfen, dass es gerechter wird. Und soziale Bewegungen werden dann erfolgreich, wenn die Nichtbetroffenen das Anliegen verstehen und übernehmen. Das heißt, der Kapitalist musste akzeptieren, dass er Privilegien abgeben muss. Der hätte wahnsinnig gerne Kinderarbeit bis zum jüngsten Tag gehabt, aber das wird dann abgegeben. Das geht nicht mehr. Das heißt, da ist eine Deprivilegierung.
Bei der Frauenbewegung das Gleiche: Da werden Männer, deprivilegiert. Das sind lange Prozesse. Das ist auch noch nicht abgeschlossen.
Deutschlandfunk Kultur: Und wehren sich vehement dagegen.
Welzer: Nein, sie wehren sich gar nicht vehement dagegen, weil, es kommt noch ein anderer Faktor dazu. Und das ist Generation. Wenn man heute junge Männer im Alter von zwanzig um sich rum hat, für die gelte ich, obwohl ich mich für den geborenen Feministen halte, für das letzte Macho-Fossil. Und die haben auch einen anderen Umgang, auch einen anderen Selbstanspruch in Bezug auf Beziehungen usw. Das heißt, da verändert sich sehr viel.
Deutschlandfunk Kultur: Jetzt gucke ich auf die Weltuntergangsuhr. Fünf vor Zwölf! Haben wir noch diese Generationen Zeit, um zu warten, dass sich das halt so ergibt?
Welzer: Erstens nochmal zu dieser Metapher "Fünf vor Zwölf". Die entlarvt sich ja schon selber, weil seit vierzig Jahren diese Uhr stehen geblieben ist und es wird immer wiederholt. Man fragt sich: Wann ist es denn mal Zwölf? Wann schlägt denn die Uhr mal? Also, da merkt man, das ist auch so ein Glaubenssatz. Und das sagt man so vor sich hin. Das ist mal der erste Punkt.

"Und dann sagt die FDP: ‚Habt ihr schon an die Jobs gedacht?‘"

Aber jetzt haben wir doch gerade bei dieser Frage was total Interessantes, weil wir jetzt gerade das Entstehen einer sozialen Bewegung beobachten können, nämlich Fridays for Future. Und was macht diese soziale Bewegung aus? Die hat im Kern die Gerechtigkeit: "Das ist unser Jahrhundert, denn wir werden das bis zum Ende erleben. Nehmt uns also nicht die Gestaltungsmöglichkeit weg." – Das ist ja ein sehr starkes Argument, was übrigens FDP-Politikerinnen und Politiker nicht verstehen. Da sind wir wieder bei den Glaubenssätzen. Die verstehen nicht, worum es geht bei der Sache, weil, die kommen dann ja an: "Ja, habt ihr schon mal an die Arbeitsplätze gedacht?"
Deutschlandfunk Kultur: Nicht nur die FDP.
Welzer: Ja, aber da finde ich es besonders brillant, wie das vorgetragen wird. Und das Interessante ist, dass hier jetzt eine neue Geschichte auch über den Klimawandel erzählt wird. Die halten keine Diagramme hoch, sondern sagen: "Es geht um Gerechtigkeit!" Und sie haben ein sehr, sehr gutes Wording und sie haben auch ein gutes Format zivilen Ungehorsams. Deshalb funktioniert das auch. Und daraus wird jetzt etwas entstehen.
Und deshalb finde ich es zum Beispiel geradezu eine Verpflichtung, auch Material an die Hand zu geben, wie, in welche Richtung diese Gesellschaft umgebaut werden könnte. Die können ja nicht alles auf einmal machen, sondern die müssen jetzt erstmal Aufmerksamkeit haben und Zukunft wiedergewinnen. Und dann kann man es politisch wirksam machen.
Deutschlandfunk Kultur: Dann machen wir das mal konkret. Sie haben vorhin schon die autofreie Stadt angedeutet. Da habe ich schon gesagt: Na ja, das klingt erstmal nach einem viel zu großen Schritt, um ihn zu schaffen. Aber sie deklinieren das in Ihrem Buch durch, wie Sie das in vielen Themenbereichen tun. Sie vergleichen das mit einem Lego-Spiel. Sie sagen: "Wir haben eigentlich alle Bausteine, sie sind nur dummerweise bislang falsch zusammengebaut." Dann rupfen Sie alles auseinander und bauen es neu zusammen.
Können Sie das an der autofreien Stadt mal erklären, wie Sie da hinkommen wollen mit lauter kleinen Legosteinen?

"Das kostet wahrscheinlich weniger als die Klos am Berliner Flughafen"

Welzer: Ja also, so klein sind die Legosteine in dem Fall nicht. Weil, ich könnte jetzt ja sagen: Wir haben in vielen Städten das Thema – und das ist übrigens auch Teil der Fridays for Future –, dass die Kinder mit diesen riesigen Autos zur Schule gefahren werden, vor den Schulen dieser SUV-Krieg tobt, totale Aggression. Anwohner sind total genervt.
Jetzt könnte man zum Beispiel sagen: Eine Stadt wie Berlin könnte den revolutionären Schritt machen und sagen: Das machen wir nicht mehr. Die Maßnahme ist total einfach. Ich muss nur Halteverbotsschilder weiträumig um die Schulareale aufstellen. Es ist verboten, dort zu Halten – fertig! Ende, Aus! Muss man sich was anderes einfallen lassen.
Dann kann man als zweite Maßnahme sagen: Wir machen einen kostenlosen Shuttle-Service für Schulkinder. Kein Problem, kostet 47 Mio. Euro pro Jahr. Das ist wahrscheinlich ungefähr die Toilettenanlage am Berliner Flughafen, etwa, vom Wert.
Deutschlandfunk Kultur: Das haben Sie schon ausgerechnet?
Welzer: Nein, würde ich jetzt mal so einfach sagen, ist nicht belastbar, denke ich mir. Wahrscheinlich sind die Klos aber teurer als 47 Mio. Euro, nehme ich an. Vielleicht hat sie Herr Mehdorn selber designt. Das kostet extra. – So: Dann habe ich da ein Modellbeispiel, wenn wir das umsetzen würden, wo man sagen kann: Vorteile davon sind unmittelbar erfahrbar. Die Anwohner müssen den Lärm dieses Anfahrens, Abfahrens nicht ertragen. Die Kinder – es sind immer Sachen, an die denkt keiner – sind plötzlich sozial gleich gestellt. Weil, es können ja nicht alle mit dem riesigen SUV hingebracht werden. Es gibt auch Kinder, die kommen aus armen Familien. Die sind sozial anders gestellt. Wenn ich das über öffentlichen Verkehr organisiere, plus Fahrrad oder sonst was, habe ich die soziale Ungleichheit raus. Die sind alle gleich.
Ich habe dann Energieeinsparung durch den öffentlichen Verkehr etc., also unmittelbar zu greifende Vorteile. Da würde man sofort sagen: Na ja, warum machen wir das in anderen Städten nicht auch? – Jetzt kommt, darauf wollen Sie ja hinaus…
Deutschlandfunk Kultur: Der nächste Legobaustein.
Welzer: Der nächste Legobaustein. Ich gucke mir Kopenhagen an. Kopenhagen ist, was Verkehr angeht, eine unglaublich fortschrittliche Stadt, die vor vielen, vielen Jahren angefangen haben, den städtischen Verkehr unter anderem auf das Fahrrad umzustellen. – Funktioniert! Wenn man da hingeht, kann man sehen, aha, das geht.

"So bekommen wir ganz schnell extreme Fortschritte"

Jetzt können die Kopenhagener sagen, die ja ohnehin fortschrittlich sind: "Hey, cool, was die in Berlin gemacht haben. Das übernehmen wir doch. Das ist doch eine super Ergänzung zu unserem Mobilitätssystem." – Nächster Schritt wäre: Es gibt jetzt eine ambitionierte Stadt. Die möchte gerne ganz fortschrittlich sein. Nehmen wir Hannover oder so was. Und die sagen: "Ey, das ist total Klasse, was die in Berlin gemacht haben und was die in Kopenhagen gemacht haben. Wir führen das jetzt beides mal radikaler zusammen und sagen: Wir machen die erste autofreie Großstadt in Deutschland." – Dann kann VW sich nützlich machen und ein Rufbussystem mit neuester Digitaltechnologie und Elektro oder was auch immer da einbringen. Die sitzen in Hannover, wunderbar, funktioniert.
Und auf diese Weise kriege ich modular ganz schnell extreme Fortschritte. Das ist alles nicht unerreichbar. Das ist auch keine Phantasterei im Sinne einer Utopie – "schöner wär’s, wenn’s schöner wär" –, sondern das kann man real machen. Und es gibt keinen Grund, das nicht zu machen.
Letzter Satz, der mir wichtig ist: Wir brauchen immer das eine Referenzprojekt, das eine Beispiel, wo man sagt: "Guckt euch das an, das funktioniert." Solange man das nicht hat, sind immer diejenigen mit dem "Geht doch nicht! Ist doch illusorisch! Völlig unmöglich, das zu machen", solange man die Referenzprojekte nicht haben, haben die tendenziell immer Recht.
Deutschlandfunk Kultur: Das heißt, wenn ich immer denke irgendwie, "ach, es gibt so viele Modellprojekte, gut, aber dann hat man halt was ausprobiert und dann war es das", dann tue ich denen damit Unrecht?
Welzer: Ja, es gibt ja sehr viele, sehr erfolgreiche Experimente. Nehmen Sie mal etwas, was inzwischen jeder kennt, den öffentlichen Gemeinschaftsgarten, neudeutsch "Urban Gardening". Das ist so ein erfolgreiches Projekt. Das hat niemand an einer Universität erfunden. Das kommt auch nicht aus der Politik. Das kommt von unten aus der Bürgerschaft und ist so überzeugend, dass es mittlerweile auf dem ganzen Globus keine große Stadt mehr gibt ohne Community-Garden oder Urban Garden.
Da sieht man doch, das muss man sich einmal angucken, wo man denkt, "ey, das ist super. Warum machen wir das bei uns nicht?" – Und so funktioniert das.

"Wenn mal investiert wurde, wird weitergemacht, egal wie falsch das ist"

Deutschlandfunk Kultur: Jetzt muss ich wieder eine Frage stellen, von der Sie sagen: Na klar, und die kommt dann immer. – Viele von diesen Dingen, die Sie vorschlagen, hätte es früher längst als Beispiele gegeben. Sie wurden aber abgeschafft. In Peking ist kein Mensch Auto gefahren, sondern alle sind mit dem Fahrrad gefahren. – Funktioniert das dann vielleicht doch nicht?
Welzer: Na ja, also: Wir haben doch in vielerlei Bereichen Entwicklungen, bei denen man nach einer gewissen Zeit feststellt: Das war jetzt nicht so gut. Aber diese Entwicklungen sind natürlich immer verknüpft mit wirtschaftlichen Interessen, mit geschaffenen Sachverhalten, mit geschaffenen Infrastrukturen. Denken Sie an die Atomtechnik, was der Rückbau von Atommeilern kostet. Wenn man rechtzeitig gesagt hätte, meinetwegen von der Gefahr abgesehen, das rechnet sich nicht, hätte man sich den Kram sparen können. Oder den Berliner Flughafen hätte man sich auch sparen können.
Und da sieht man ja genau die Fatalität. Wir haben viel zu wenig Konzept fürs Aufhören und neu Anfangen. Wir haben immer eine Logik, wo, wenn man etwas angefangen hat, eben weil auch was investiert worden ist, dann muss das weiter getrieben werden, egal, wie falsch das ist. Und aus dieser Logik müssen wir ausbrechen, indem wir sagen: Wir können andere Experimente machen. Und wenn die nicht funktionieren haben, dann gehen wir zurück auf Los und machen das Nächste. Das ist ein ganz anderes Kulturmodell.
Deutschlandfunk Kultur: Wenn wir bei dieser Lego-Baustein-Metapher bleiben, am Ende, wenn dann die Gesellschaft neu gebaut ist, welche Steinchen bleiben über und kommen dann halt doch auf den Müll?

"Es kommt auf den Pfadwechsel an"

Welzer: Das wird die Geschichte dann zeigen. Also, ich habe ja auch nicht die Vorstellung, dass diese Ideen, die hier aufgeführt sind, in jedem Fall tatsächlich so umgesetzt werden müssen. Mir kommt es ja auf was anderes an. Mir kommt es auf den Pfadwechsel an. Ich möchte, dass wir an bestimmten Stellen, wo es professionell möglich ist, wo es politisch möglich ist, wo es individuell möglich ist, den einen Schritt in die andere Richtung machen. Mir ist es auch nicht wichtig, ob am Ende die Zielformulierung so und so ist und das muss erreicht werden. Das ist mir egal.
Und der Grund dafür ist total einfach. In dem Augenblick, wo ich den Pfadwechsel mache mit einem Schritt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein zweiter, dritter, vierter, fünfter Schritt genau in diese Richtung folgt. Und dabei entwickeln sich möglicherweise noch viel bessere Perspektiven, als in diesem Buch drinstehen.
Wenn ich dagegen den ersten Schritt nicht mache in die andere Richtung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der zweite, dritte, vierte, fünfte Schritt weiter das Schlechte, das Falsche verfolgt oder optimiert. Es ist ganz einfach.
Deutschlandfunk Kultur: Also eine Aufforderung zum Loslaufen. Vielen Dank, Herr Welzer.

Harald Welzer ist Sozialpsychologe und Direktor der Futurzwei-Stiftung und Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg. Er ist Autor des Buches: "Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen" (320 Seiten, 22 Euro, Verlag S. Fischer, 2019).

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